Wann ist es Sonntag geworden?
Die Arbeitsteilung im Kleingartenhäuschen ist klar: Die Mutter kocht, die Söhne essen auf. So hat eben jeder sein Talent. Der Hunger ihrer Söhne taktet der Mutter den Tag.
Jemand ist ein verlässlicher Altbrotverbraucher.
Meine Hobbies sind: Nasenbluten. (Ich bin ein routinierter Nasenbluterich.)
Die Coverversionen des Alleinunterhalters sind allesamt besser als das Original. Sommermusik, zu der man sich unglücklich verlieben will.
Sie war französisch schön – vielleicht kam das vom Rauchen –, und strahlte eine anziehende Verlorenheit aus. Ihre Stimme war behaglich schwarz. Er wiederum musste dringend zum Friseur und gab seine unterhaltsamsten Niederlagen zum Besten. Die beiden waren für einander bestimmt, jedenfalls während der schummrigen Bar. (Jemand sagt zu wem: Du küsst so gut, dass du rauchen darfst.)
Im Nachhinein kann ich dem Moment nicht mehr trauen. Irgendetwas hätte anders sein sollen.
Eine kurze Geschichte vom Glück
Zwei finden zusammen. Sie heiraten, gründen eine Familie. Es fehlt ihnen an nichts. Die Kinder wachsen wohlbehütet auf. Alle werden sie von Krankheiten verschont. Die Arbeit ist erfüllend, bald der Ruhestand erreicht. Ihre Kinder werden groß und ziehen aus, gründen wiederum eigene Familien. Die zwei haben es gut miteinander. Eines Tages – es könnte auch jeder andere Tag sein – packt sie ihre Sachen und verlässt das gemeinsame Leben.
Er: Du gehst?
Sie: Ja, ich muss.
Er: Wohin?
Sie schweigt für beide.
Er: Ist ja auch egal.
Sie: Es ist meine Natur.
Er: Ich wollte es nicht wahrhaben.
Sie lässt ihn mit sich allein.
Betrunken ist man verliebter. (Betrink dich! Sekt geht schnell.)
Der nebenbei eingestreute Hinweis
Es klingelt, er geht zur Sprechanlage, horcht. Ich bin es, sagt sie. Unangemeldet kommt sie bei ihm vorbei. Er kann nicht antworten, denn die Leitung ist seit jeher kaputt. Er macht ihr auf und wartet, bis der lahme Aufzug sie heraufgerumpelt hat. Sie kommt herein, schlüpft nachlässig aus den Schuhen. Er legt ihre Jacke behutsam der Länge nach auf die Vorzimmerbank. Wie etwas frisch Gestorbenes, denkt er. Sie gehen in die Küche, trinken Wasser, Wein ist aus. Sie plaudern ein bisschen über die Eltern, dann wird es ernst.
Er traut sich mehr als sonst, umklammert ihre Handgelenke, drückt sie lustvoll nieder. Sie bäumt sich an ihm auf. Stolz empfängt er ihre Kratzspuren, für einen Moment grinst er zufrieden. Sie passen nicht auf. Er weiß alles, dann nichts, dann wieder alles. Sie legen eine stumme Pause ein, später machen sie weiter. Er weiß nichts.
Als es vorbei ist, liegen sie dampfend im Tag. Es musste so sein. Das war er seinem früheren Ich schuldig, demjenigen, der sich etwas mit jemandem so sehr gewünscht hat. Sie geht aufs Klo, zieht sich an, geht. Er weiß, dass sie verschwindet, ohne wiederzukommen.
Eine halbe Stunde nach ihr verlässt auch er die Wohnung. Die Kratzspuren pochen nach. Mit großen Schritten stapft er in sein Leben. Er hat einiges vor.
(Verstörend wäre der nebenbei eingestreute Hinweis, dass es sich um Bruder und Schwester handelt.)
Jetzt, nachdem sie gedruckt und bezahlt und geliefert sind, kann ich hundert Visitenkarten lang nicht mehr umziehen.
Einmal las ich ein Buch von Misses Stein. (Durch Zufall war es am Weltfrauentag, was nichts zur Sache tut.) Das Buch bestand aus gesammelten Auszügen, und war fürchterlich. Sie macht keine Satzzeichen, sträubt sich gegen Lesbarkeit. Beistrichlose Schwafelei. Ich habe ehrlich gesucht, was andere an ihr finden. Die penible Übersetzung wäre eine zu billige Erklärung für mein Unbehagen. Es geht um nichts. Stein ist kryptisch, ohne ins Geheimnis einzuladen. Sie tritt beharrlich auf der Stelle, wie ein Kobold, der vorgibt, sich einiges zu trauen. Sie reitet auf etwas herum, das niemals da gewesen ist. Stein ist so kompliziert, dass sie sich selbst nicht versteht. Und dahinter wartet eine alles versprechende, nichts einlösende Leere. Ich bin vom Interesse an ihrem Werk restlos geheilt. Mein finaler Stein-Diss lautet: Eine Pose ist eine Pose ist eine Pose ist eine Pose.
Jemand erklärte mir, dass man Zimmerpflanzen ausschließlich mit abgestandenem Wasser gießen solle. Die Anwesenden stimmten tadelnd zu. Das sei immer schon so gewesen. Den Grund dafür kenne niemand.
Ein Camp, in dem Leute davon geheilt werden, Camps zu betreiben, in denen Leute von ihrer Homosexualität geheilt werden sollen.
Letzte Dinge
Ein Hecheln, mit dem sonst nur Hunde auf sich aufmerksam machen. Ein Gesicht, in das eigentlich eine Brille gehört. Ein Monat zwischen Dezember und Jänner. Eine Volltextsuche nach dem Wort vorsommerlich. Eine Melancholie wie nur am allein verbrachten Samstagabend. Plötzlich fällt mir ein, dass ich irgendwann Cowboyspiefel besitzen werde. Ich will sympathisch sein wie Leute, denen es peinlich ist, gelobt zu werden. Ein Mensch geht auf eine Art, die irgendwie unhöflich wirkt.
Eine Salami ist zu grob für sanften Hunger. Ein erlösender Biss ins Weichkäsebrot. Schau die Kiwi an, bis sie dir schmeckt. Eine Paprika wird entkorkt, die Innereien herausgesäubert, jede Hälfte ihr eigenes Paprikaschiff. Eine Küche ist nicht mehr als eine effiziente Produktionsstätte für dreckiges Geschirr. Verwirrung ist wie Fragen träumen. Vom Sitzen kracht ein Rücken. Ich hätte gern interessantere Ängste. Ein Sterben bis zur Hüfte, sonst nicht. Ein Schweigen verschafft sich Gehör. Ein Hund kam in die Küche. Ein Brasilien stirbt. Kaffeegestöber im Wetterbericht. Eine Sache ist egal, aber wen interessiert՚s. Es gibt hier nichts zu wundern – da könnte ja jeder kommen!
*
Ein schöner Mann, den alle wollen. Eine blonde Frau, die keiner haben kann. Ein Wimmerl in der linken Gesichtshäflte betont eine wohlige Asymmetrie (entzückende). Wie heißt die Maßeinheit für Zufall? Ein Küssen schmeckt nach heißem Salz. Unter der Handtuchdecke ein Petting am Steg. Er rührt den Teig an, stöbert nach der goldenen Perle. Eine ölige Nuss oder blutwarme Mandel, ein schlüpfriger Kirschkern oder lustfeuchtes Knötchen. Rundum viel Donau und Mensch, aber nachts. Polizei kontrolliert. Bäume sind auch nur Menschen. Eine Unersättlichkeit wird offenkundig, etwas bricht sich Bahn. Ein Zufallspaar zerschmilzt zu gegenseitigem Schweiß. Eine Lüge gelingt.
Ein Kind läuft nicht vors Auto. Ein Flugzeug stürzt – schon wieder! – nicht ab. Ein getuntes Protz-Bike ist im Vorbeibrettern enttäuschend leise. Eine hydraulische Vorrichtung, die vertrauensselige Kaugeräusche von sich gibt. Jemand schlurft seine Socken entlang, sie sind ungefähr neu. Vor leichtem Fieber ganz einverstanden mit allem, und zufrieden mit seinem Bauchweh. Jemand räuspert sich ein Jahrzehnt aus dem Hals. Ein Warten auf etwas, das niemals eintreffen wird. Ein Gefühl, das genauso gut Freude hätte sein können. Ich bin dagegen, dass es jemals Krieg gegeben hat. Müde im Kopf. Und die Nacht schläft dazu. Das ist der Stand der letzten Dinge.
Die Ewigen wachen über uns – wer es weiß, kann anderen reinen Herzens begegnen.
Wann habe ich noch gleich mein Gedächtnis verloren?