Kategorien
Allgemein

57 Dienstag, 12.05.2020

Beim Anstellen für etwas den Glauben an die Menschheit verlieren.

Ab kommenden Freitag darf wieder Fußball gespielt werden. Trainings mit direktem Körperkontakt sind erlaubt, zwei Wochen später kann es womöglich auch herkömmliche Matches geben, die vor leeren Rängen stattfinden. Das ist schön. Erwachsene Männer dürfen hauptberuflich einem Lederball nachlaufen, sich gegenseitig am Leiberl zupfen und an den Popsch greifen, und in eine sehr gepflegte Wiese rotzen. Es gelten besondere Quarantäneregeln: Bei einem positiven Test muss sich lediglich der betroffene Spieler in Quarantäne begeben, die Teamkollegen sind angehalten, weiter trainieren. (Klagt wiederum an einem niederösterreichischen Gymnasium ein Schüler über Übelkeit, werden zweiundfünfzig seiner Mitschüler bis zum Testergebnis aus Sicherheitsgründen mehrere Tage lang nach Hause geschickt.)
*
Ab kommenden Freitag darf wieder Fußball gespielt werden. Am selben Freitag wird die Staatssekretärin für Kunst und Kultur einen Fahrplan vorlegen, wie es frühestens ab Juli mit Veranstaltungen weitergehen könnte. Planungssicherheit ist überbewertet. Man muss Prioritäten setzen. Es hat alles eine höhere Logik, die sich dem Laien nicht sofort erschließt.

Irgendwie ist alles wurscht.

Eine Zeit in der Hölle – als Pauschalreise buchen.

Eine Bekannte sagt, sie habe von einem fetten Wellensittich geträumt, von dem sie dachte, er sei tot. (Fett ist ihr Wort, nicht meines, ich hätte ihn vielleicht nur mollig oder dick genannt.) Sie habe ihn nicht mehr in seinen Käfig zurückstopfen können, also sei er im Badezimmer geblieben, wo sie ihm Tropengeräusche vorgespielt habe. Später habe er ihre Mitbewohnerin attackiert, sie gezwickt und Haare ausgerissen. Nicht schlecht für einen toten Vogel, denke ich, und hoffe, dass er mich bald ebenfalls im Traum besucht.

Jemand heißt wie Leute, die sich etwas trauen.

Ich erfinde eine Jüdin namens Vadukova und frage mich, wo ihre Betonung liegt.

Auf der Straße Hand in Hand ein Paar. Die Frau kennt zielsicher den Weg. In den Augen des Mannes funkelt leise Verzweiflung, sein Blick schreit um Hilfe. Er ist gefangen und kommt nicht mehr aus. Solche Paare sieht man oft. Stur bleiben sie zusammen und enthalten einander das Leben vor. Niemand hilft.

Jemandem gegenüber eine unterschwellig schwelende Grundverliebtheit bemerken.

Verehrung muss einen konsequent belustigen.

Zusammengewachsene Augenbrauen lassen mich erschaudern. Was hindert jemanden daran, sie einfach abzurasieren? Es ist zum Verzweifeln. Einer in der U-Bahn hat ein regelrechtes Büschel an der Nasenwurzel, das wüst in die Luft ragt. Er trägt es dermaßen selbstbewusst und guckt dabei so unbedarft aus der Wäsche, dass man ihm ins trottelige Gesicht springen und alle Haare einzeln ausrupfen will – und es auch tut. Beherztes Jäteglück.

Schöne Männer sind schrecklich.

Seit Tagen meldet sich in unregelmäßigen Abständen eine schwer zugängliche Stelle auf der Rückseite des Oberschenkels, es brennt oder zwickt, manchmal mehr, manchmal weniger. Bei genauerer Untersuchung – für die einige Verrenkung nötig ist –, stellt sich heraus, dass es sich nicht um einen Zeck handelt, der sich an mir festgebissen hat. Ich bin enttäuscht, richtig verstimmt. Es ist bloß ein eingewachsenes Beinhaar, schwindlig in sich selbst gekrümmt, mit rötlich beleidigtem Wurzelhügel. Der Zeck wäre eine Geschichte gewesen.

China wappnet sich für die hochgerechnete zweite Welle. In einverstandenem Gleichschritt duckt man sich ihr entgegen.

Das Pendeln zwischen einem Überhandnehmen der Ängst und sturer Selbstbeschwichtigung.
Ich: Naja, so schlimm wird es doch nicht werden.
Auch ich: Moment, aber so schlimm ist es ja schon.
Wieder ich: Okay, aber nicht so schlimm.
Wieder auch ich: Da muss ich mir recht geben.
Abschließend wieder ich: Immerhin darf man ab Freitag Fußball spielen.
Endgültig wieder auch ich: Man muss Prioritäten setzen.

Es ist wirklich alles eh schon wurscht.