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43 Dienstag, 28.04.2020

Westasien und Südasien

In Indien werden aus den Städten aufs Land fliehende Wanderarbeiter beim Versuch einer Ausreise an Bahnhöfen erdrückt.
Auf den Malediven sitzen europäische Toursiten fest, die Regierung signalisiert den Außenministerien der Herkunftsländer, die Kosten des unfreiwilligen Aufenthalts zu übernehmen.
In Sri Lanka verhindert die Pandemie Gedenkveranstaltungen zu den Oster-Anschlägen im Vorjahr mit über zweihundertsechzig Toten, dem nationalen Corona-Koordinator werden Kriegsverbrechen zur Last gelegt.
In Nepal scheint der Hungertod näher als eine Infektion mit dem neuartigen Virus.
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In Bhutan soll ein striktes Einreiseverbot nach dem ersten bestätigten Fall die Rückverfolgung der Infektionsquelle und eine Entschärfung der Lage ermöglichen.
In Pakistan beginnt die schrittweise Lockerung der Maßnahmen, an das weiterhin aufrechte Verbot öffentlicher Versammlungen halten sich viele religiöse Führer und Gläubige nicht, Polizeikommandeure bitten Imame vergeblich, die Menschen von einem Besuch der Moschee abzuhalten.
In Bangladesch drängen internationale Auftraggeber auf ein Wiederhochfahren der Textilindustrie, hunderttausende Arbeitnehmer kehren trotz Ausgangssperre in die Fabriken zurück.
In Afghanistan kommt es zum ersten Treffen zwischen Vertretern von Taliban und Regierung seit zwanzig Jahren, um das weitere Vorgehen gegen den gemeinsamen Feind Corona zu beraten.
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In der Türkei wird mit einer Vorwarnzeit von zwei Stunden eine Ausgangssperre verhängt, was zu Panikreaktionen und Hamsterkäufen führt.
In Armenien gibt es zu Anfang der Pandemie eine Luxusunterbringung für Verdachtsfälle, zweiunddreißig Menschen werden vorübergehend im Golden Palace Hotel isoliert, einem Fünfsternehotel mit Casino, Cocktailbars, verschiedenen Pools, Wellnessbereichen und einem direkten Zugang zur Skipiste, das sich seit der samtenen Revolution in Staatsbesitz befindet.
In Aserbaidschan ist die Pandemie ein geeigneter Anlass, Repressionen auf die Opposition weiter zu verstärken, in sozialen Netzwerken berichten mehrere Politiker der Südkaukasusrepublik von Einschüchterungen, tätlichen Angriffen und Festnahmen.
In Georgien schließen viele Geschäfte, Restaurants und Bars von sich aus ohne Regierungserlass, auch deshalb, weil eine große Abhängigkeit zum Tourismus besteht.
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In Abchasien wird der Oppositionsführer und ehemalige Geheimdienstchef zum neuen Präsidenten gewählt, wogegen die georgischen Behörden unter Berufung auf internationales Recht protestieren, diese verhängen für die von prorussischen Separatisten kontrollierten Region den Ausnahmezustand.
In Syrien verbreitet sich der Virus nicht zuletzt über den Iran, eine der wichtigsten Schutzmächte des Regimes, um die Infektionszahl in der Statistik möglichst niedrig zu halten, werden verdächtige Todesfälle offiziell als schwere Lungenentzündung deklariert.
Im Libanon vermag die Regierung durch rigorose Schutzmaßnahmen die Ausbreitung des Virus weitgehend einzudämmen, was zu Lasten von Armen und Flüchtlingen geht.
In Israel dürfen sich Menschen nicht mehr als hundert Meter von ihrem Wohnhaus entfernen, einzelne Stadtviertel werden abgeriegelt, die Gemeinschaft der ultraorthodoxen Juden hält sich nicht an die Maßnahmen, man vertraut auf Gott und liefert sich Straßenkämpfe mit einschreitenden Sicherheitskräften.
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In Palästina kursieren böse Witze darüber, dass man Quarantäne ja ohnehin gewohnt sei.
In Jordanien bemüht man sich um die härteste Ausgangssperre der Welt, selbst Einkaufen ist verboten, wer sich den Maßnahmen nachgewiesenermaßen widersetzt, riskiert eine Gefängnisstrafe von bis zu einem Jahr.
In Saudi-Arabien sollen sich über hundertfünfzig Mitglieder der Königsfamilie mit dem Virus infiziert haben, von denen etwa die Hälfte zur Behandlung ins Krankenhaus muss, der vierundachtzigjährige, bereits Züge von Demenz zeigende König Salman begibt sich auf einer Insel nahe der Hafenstadt Dschidda in Palastquarantäne.
Im Jemen liegt das Gesundheitssystem kriegsbedingt am Boden.
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Im Oman werden für den Fastenmonat Ramadan Versammlungen und soziale Aktivitäten jeglicher Art und an jedweder Örtlichkeit explizit untersagt, Moscheen bleiben geschlossen, mit Ausnahme des Gebetsrufs und des vorübergehenden Tarawih-Gebets, die Einführung von Armbändern zur telemetrischen Überwachung der Heimquarantäne sowie des Gesundheitszustands stehen bevor.
Im Irak gibt es keine handlungsfähige Regierung, da sich die großen politischen Blöcke seit Monaten nicht auf einen neuen Ministerpräsidenten einigen können.
Im Iran kann man den offiziellen Zahlen nie ganz trauen, was für die Einwohner ebenso gilt wie für den Rest der Welt.
In Kuwait herrscht ein nächtliches Ausgangsverbot von vier Uhr nachmittags bis acht Uhr Früh, von welchem nur Personen mit essentiellen Tätigkeiten im Ölsektor, im Gesundheitsbereich oder bei Zustellservices ausgenommen sind, Verstöße werden mit bis zu drei Jahren Haft geahndet.
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In Bahrain müssen Personen in Selbstisolation ein Bluetooth-Armband tragen, um sicherzustellen, dass sie die Tracing-App der Regierung nutzen, sollten sie sich fünfzehn Meter von ihrem Smartphone entfernen, Ortungsdienste deaktivieren oder das Armband ablegen, droht eine Geldstrafe von umgerechnet knapp 2500 bis 25 000 Euro oder eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Monaten.
In Katar verkündet die Regierung ein umfassendes Hilfspaket für den Privatsektor, das etwa zwanzig Milliarden Euro umfasst und einem Zehntel des Bruttoinlandsprodukts entspricht, ein Teil davon geht an Unternehmen der lokalen Börse, um den Markt zu stützen, in von der Krise schwer getroffenen Sektoren werden für sechs Monate die Elektrizitäts- und Wasserrechnung sowie die Miet- oder Pachtkosten ausgesetzt, ebenfalls für sechs Monate gilt eine Stundung bei Kreditrückzahlungen.