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23 Mittwoch, 08.04.2020

Nachts riecht es auf der Hauptstraße nach Weihrauch. Ob da jemand heimlich die Heilige Messe feiert?

Langsam können sie es. Das Maskentragen geht den Menschen in Fleisch und Blut über. (Ich kann es nicht, verhasple mich unbeholfen in den langen Hamstermaskenschlaufen.)

Unerbittlicher Begriff: Zufallsverteilungsphänomene

Im Hessischen Rundfunk beschreibt ein Wissenschaftsjournalist die kosmische Hintergrundstrahlung als Flickenteppich aus Temperaturen. Das wirft im Kopf eine Bildmaschine an, die versucht, diesen Gedanken in eine konkrete Vorstellung zu übersetzen.

Taxis sind nach wie vor ein legitimes Mittel der Fortbewegung. Sie stehen und lauern auf Kundschaft mit ihrem gelben Warte-Licht. Wie schön wäre es, einzusteigen und loszufahren. Das müssen interessante Gespräche sein, denke ich.

Durch das offene Wohnzimmerfenster riecht es oft so gut nach Essen, dass ich durchs Stiegenhaus rasen, wahllos an Türen hämmern und den Verantwortlichen zur Rede stellen will: Solche Kochkünste sind den Nachbarn gegenüber nicht fair!

Für so etwas wie Langeweile haben wir keine Zeit.

Selbst aus der Ferne das Unbehagen, wenn jemand mit allzu ausgeprägten Zischlauten spricht. (Zum Vorlesen.)

Auf der Rolltreppe stehen die Leute brav rechts und lassen neben sich die Überholspur frei. Normalerweise benutze ich sie, doch im Moment erscheint mir das fragwürdig. Wir halten Abstand.

Jeder Apothekenbesuch, jedes Warten in der Postschlange, jeder Weg in den Supermarkt, jede Essensabholung, jeder Obsteinkauf, jeder Spaziergang, jede Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, jedes Straßeüberqueren, jedes Ampelknopfdrücken, jedes Stehenbleiben, jedes Weitergehen, jede Aufholjagd am Gehsteig, jedes elegante Ausweichmanöver, jedes Maskeanlegen, jedes Maskeablegen, jedes gesichtslose Nicken, jedes stumme Lächeln, jeder Wortwechsel, jedes Rucksackrichten, jedes Umschauen, jedes Abstandhalten, jedes Hausverlassen und jede Heimkehr – sind Übungen der Entfremdung.

Das schwarze Brett im Hauseingang ist verschwunden; die einfache Pinnwand mit bunten Nadeln, um etwas anzuheften. Stattdessen wurde ein absperrbarer Aushangkasten montiert. Die handgeschriebenen Zettel mit Angeboten für Nachbarschaftshilfe stehen lose hinter Glas. Das neue schwarze Brett wird jetzt sozusagen kuratiert, nur die Verantwortlichen – die Schlüsselbesitzer – haben Zugriff darauf. Kommunikation innerhalb der Hausgemeinschaft ist an dieser Stelle nicht mehr vorgesehen. Ein Informationsblatt wurde platziert, auch in den Aufzug hat man es geklebt. Wahrscheinlich hängt es jetzt in vielen Häusern. Darauf werden in neun Kacheln alle empfohlenen Verhaltensweisen kompakt und verständlich zusammengefasst. Jede Regel ist ansprechend illustriert. Der Zettel bündelt sehr prägnant die seltsamen Zeiten.

HALLO
NACHBAR!N

SICHER & GESUND TROTZ COVID 19

ZUHAUSE BLEIBEN!
Ausnahmen:
Weg zur / von der Arbeit
Notwendige Besorgungen
Hilfe für Risikogruppen
Spaziergang alleine oder
mit der Familie

Wer zuhause bleibt, schützt sich selber
und schützt andere

HILFE ANBIETEN.
Bieten Sie Ihre Hilfe bei Besorgungen an,
wenn Sie nicht zu einer Risikogruppe
gehören!

ABSTAND HALTEN!
Halten Sie in der Öffentlichkeit mindestens
1 m Sicherheitsabstand zu Ihren
Mitmenschen

NICHT INS GESICHT GREIFEN.
Um Schmierinfektionen vorzubeugen,
greifen Sie sich nicht ins Gesicht!

HÄNDE WASCHEN.
Waschen Sie Ihre Hände gründlich für
ca. 30 Sekunden – speziell nach dem
Nachhause-Kommen!

HUSTEN UND NIESEN.
Um andere vor einer Ansteckung zu
schützen, husten und niesen Sie bitte in die
Ellenbeuge oder ins Papiertaschentuch.

ROUTINE BEIBEHALTEN.
Strukturen geben Sicherheit. Daher ist es
nun besonders wichtig, sich eine
Tagesroutine zu überlegen.

INFORMIEREN OHNE PANIK!
Informieren Sie sich in vertrauenswürdigen
Medien. Melden Sie Fake News in den
Sozialen Medien.

HALLO NACHBAR!N
Telefonieren Sie mit Verwandten, Freunden
oder den Nachbarn – schließlich kommen
beim Reden die Leut’ z’amm!