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5 Samstag, 21.03.2020

Pessima tempora plurimae leges
In den schlechtesten Zeiten gibt es die meisten Gesetze
Unbekannter Verfasser

Phrasen, die sich mittlerweile bei mir eingeschlichen haben:
Munter bleiben
Sauber bleiben
Legal spazieren
Wird schon
(Über Nacht entsteht ein eigenes Vokabular.)

Die Fernsehbeiträge des Österreichischen Rundfunks sind oft so langsam geschnitten und so altmodisch gestaltet, dass noch die ärgsten Einschnitte und Verwerfungen mit einer unbehaglichen Beiläufigkeit transportiert werden. Die Kirche im Dorf lassen – notwendige Volksberuhigung. Im Gegensatz dazu die perplexe Aufgeregtheit und schrille Übersteuerung der sozialen Medien. Es könnte ein Zwischenreich geben, in dem einer den Schlaf des Monsters streng bewacht.

Ein Allgemeinmediziner zur Lage in einem verunsicherten Bergtal: Derzeit herrsche stabiles Chaos.

Unverdrossen die menschenmöglichste Reflexion anstreben und dabei eine gewisse Rasanz beibehalten – um jeden Preis; koste es, was es wolle.

Seien Sie unbesorgt: Neben den diversen Kapazundern, die beharrlich den Virus und seine Mutationen beforschen – dabei das eine oder andere Genom entschlüsseln –, neben den Weißkitteln, die mit Feuereifer an der Entwicklung zunächst eines wirksamen Medikaments und – auf lange Sicht – eines Impfstoffes herumdoktern, wird es auch uns geben, die wir in der Lage sind, auf all das zu warten.

Mein Arzt-Freund erzählt, der Wiener Krankenanstaltsverbund arbeite an einem Verfahren, Einweg-Schutzmasken aufzubereiten, um sie wiederverwendbar zu machen. Eine gute Idee, da sind wir uns einig. Wir fachsimpeln ein bisschen. Einfach in den Geschirrspüler, sage ich. Mikrowelle, sagt er. Dazu fällt mir gleich wieder eine griffige Schlagzeile ein. Welt dankbar: Wiener Top-Mediziner entwickelt Verfahren zur Maskenreinigung! Mein Freund ist damit einverstanden. Bewirb dich als Clickbait-Schreiber, sagt er. Vielleicht sollte ich das tun.

Mittäglicher Handy-Spam:
Hallo allerseits
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Nein, denke ich, bin ich nicht.

Zettelwerkwuchern im Schubladenkopf. (Selbstermahnung – bei allem gebotenen Tempo bitte leserlich bleiben!) Kaffeegenährtes Muskelzucken in der Unterlippe.

Ich finde einfach kein welthaltiges Thema für meine Dissertation – fällt in nächster Zeit als zulässige Ausrede weg.

Eine ferne Bekannte aus dem Off: Oida, crave soooo nach Kontakten.

Wir schreiben dagegen an
Wir lesen dagegen an
Wir singen dagegen an
Wir tanzen dagegen an
Wir musizieren dagegen an
Wir kochen dagegen an
Wir essen dagegen an
Wir trinken dagegen an
Wir reden dagegen an
Wir schweigen dagegen an
Wir lernen dagegen an
Wir schlafen dagegen an
Wir lachen dagegen an
Wir klatschen dagegen an
Wir warten dagegen an
Wir fragen dagegen an
Wir diskutieren dagegen an
Wir sitzen dagegen an
Wir stehen dagegen an
Wir gehen dagegen an
Wir putzen dagegen an
Wir fernsehen dagegen an
Wir duschen dagegen an
Wir baden dagegen an
Wir denken dagegen an
Wir spielen dagegen an
Wir lieben dagegen an
Wir leben dagegen an
Wir geben dagegen nicht auf

Für einen geplanten Fernsehbeitrag soll ich zu gewichtigen Fragen knappe Video-Statements aufnehmen und verschicken, jeweils möglichst nicht länger als fünfundzwanzig Sekunden – was den selbsternannten Welterklärer in mir vor gewisse Schwierigkeiten stellt. Der Sendungsmacher kommuniziert ebenso launig wie akkurat. Ich nehme windschief Schnipsel auf, vermisse einen Selfie-Stick. Kommt das Herumgestammel allzu holprig daher, verwerfe ich das aufgenommene Material und setze neu an. Versprachlichtes Tappen im Dunkeln. Erfahrungsgemäß weiß ich, dass selbst komplett finalisierte und fristgerecht abgegebene Beiträge oft kurzfristig aus der Sendung fliegen, ohne jemals zur Ausstrahlung zu kommen. All das werde ich also womöglich nie gesagt haben:
Nach so einem kurzen Zeitraum würde ich mich nicht trauen einschätzen zu können (sic!) was sich durch dieses ganze Ereignis verändert auch für für kreative Leute ich für mich persönlich glaube aber dass man es kaum überschätzen kann was da passiert zum Beispiel wird jeder Roman der in der Gegenwart spielt und die Corona-Pandemie nicht mitdenkt automatisch zu einem historischen Roman und das führt natürlich dazu dass es jetzt sehr schwerfällt an irgendwas zu arbeiten das abseits der Ereignisse spielt für mich persönlich jedenfalls.
Es gibt für mich natürlich auch gewisse Einbußen aber im Vergleich zu vielen anderen geht’s mir sehr sehr gut wir hatten jetzt nicht die riesen Tour geplant die die komplett abgeblasen ist ähm wir wir werden sehen wie’s weitergeht aber ich bin’s ohnehin gewohnt ähm mich mich so durch Dinge durchzuimprovisieren und wir sollten jetzt dringend die Leute unterstützen die ganz massiv betroffen sind die ihre Arbeit verloren haben zum Beispiel ähm da müssen wir uns jetzt dahinterklemmen und das wird auch gemacht denk ich.
Ich muss gestehen ich hatte einen kleinen Durchhänger den wird’s auch immer wieder mal geben aber insgesamt hab ich eine grenzenlose Zuversicht dass ähm es einen unglaublichen Zusammenhalt gibt eine eine Bereitschaft aufeinander zu schauen und sich gegenseitig aufzumuntern und auf diese Weise kommt man da gut durch.
Unser größter Respekt muss in erster Linie mal denen gelten die alles am Laufen halten die Müllabfuhr die Supermarktangestellten oder alle sonstigen Firmen und Geschäfte die weitermachen die Politiker die mit wie ich finde sehr ruhiger Hand und kühlem Kopf uns da sehr gut durch manövrieren aber all diese Leute freuen sich dann auch vielleicht am Abend mal entspannt Musik zu hören und und daraus Kraft ähm zu schöpfen und deshalb spielt Kunst natürlich genauso eine Rolle in diesem ganzen Gefüge wie alles andere auch und der Arzt der nach einer langen Schicht heimkommt braucht vielleicht einfach mal zum Abschalten ähm einen einen Komiker der ihn einfach mal zum Lachen bringt wir sind alle ein Teil des Ganzen und wir spielen alle unsere Rolle und jeder trägt bei was er eben beiträgt.
Ich bin kein Wahrsager und will mich nicht als einer aufspielen grundsätzlich geschieht jetzt mal ein Schock und auch auf eine gewisse Weise eine gemeinschaftliche Traumatisierung es kann aber auf lange Sicht natürlich ein heilsamer Schock sein der vieles infrage stellt und manches neu ordnet im positiven Sinne.
Jede Krise ist natürlich eine Chance aber eine Chance ist kein Geschenk sondern eine Einladung zur Anstrengung und das liegt dann an uns wie wir uns an diese Zeit erinnern und ich glaub es wird sein als eine Herausforderung aber auch als eine Geschichte des Zusammenhalts.

Bald fasst sie Fuß, die neue Unbekümmertheit.